Am Vorabend noch ein letztes Telefonat zwischen Martin und mir, noch schnell die Tourenski,
einige Meter Reepschnur und ein Satz Klemmkeile verstaut und dann sind die Vorbereitungen beendet.
Dann gings am 14.06. in unserem bis obenhin vollgepackten Kleinbus los - Richtung Chamonix.
Endlich nach 7 Stunden Autofahrt kommt die weiße Kuppe des Mont Blanc zum Vorschein und wir
kommen alle gut in Argentiere an. Stefan empfängt uns schon in unserer Unterkunft und meint,
dass die Bedingungen in Höheren Lagen, sowie der Wetterbericht für die nächsten Tage alles
andere als gut sind. Zu viel Neuschnee auf dem Gletscher. Eisauflage in den Colouirs ist auch zu dünn.
Fazit: Einfach keine optimalen Hochtourenverhältnisse. Damit war unser Plan A mit der Aiguille du Midi
hochzufahren und den Pointe Lachenal zu machen auch gleich verworfen. Für Sonntagvormittag soll das Wetter
noch halten ab Nachmittag sind Regenschauer angesagt. Also entschieden wir uns mit der Bahn Richtung Brèvent
zu fahren und am Clocher de Planpraz die „Cocher Cochon“ 6a zu klettern. Eine gut abgesicherte Klettertour
auf eine Granitnadel erwartete uns. Das Wetter hatte auch gehalten, ab und zu öffneten sich mal die Wolken
und wir hatten einen fantastischen Ausblick auf Mont Maudit, Aiguille du Midi und Grand Jorasses.
Mit unserer Ankunft im Tal entlud sich dann aber der angekündigte Regenschauer über uns.
Gerade noch einmal gut gegangen!
Nach dem Abendessen in der Unterkunft, der UCPA ging es wieder an die Vorbereitungen für morgen.
Der Wetterbericht hatte sich leider nicht gebessert. Genau gleich wie heute: Vormittags noch ganz brauchbar
aber ab 15 Uhr wieder Regenschauer. Na super wieder kein Akklimatisieren möglich! Also Kletterausrüstung
zusammenpacken und morgen Klettern an der Aiguille de Index. „Voie Brunat-Perroux“ 5b soll unser Ziel sein.
Mit dem Bus geht’s von Argentiere nach Chamonix mit der Bahn hoch und nach einer Stunde Zustieg und
kurzem Suchen haben wir schließlich den Einstieg gefunden. Doch heute schaut das Wetter alles andere
als gut aus. Viele dunkle Wolken hängen schon über uns. Martin und ich ratschlagen noch einmal.
Wir steigen trotzdem ein, da nach zwei Seillängen ein Grasband mit Ausstiegsmöglichkeit kommt.
Am Band angekommen hat sich das Wetter ein wenig gebessert und wir klettern weiter. Nach acht Seillängen
erreichten wir den Gipfel. Einmal noch abseilen und dann ist die Tour im wahrsten Sinne auch in
trockenen Tüchern. Doch es kommt wie`s kommen muss. Beim Seilabziehen verhängt sich der Knoten in einem der Risse.
„Das kann`s jetzt nicht sein“ denken wir uns. Das Wetter hat sich dazu auch wieder verschlechtert.
Hilft nix! Martin macht sich bereit wieder hochzusteigen, da versuch ich ein letztes Mal den Knoten rauszubekommen.
Mit einem kräftigen Schwung gelingt es schließlich doch noch das Seil aus dem Riss zu lösen und wir
kommen trocken an unseren Rucksäcken an.
Gerade noch einmal gut gegangen ;-)
Am Abend das gleiche Spiel wie schon Samstag und Sonntag. Essen, Wetterbericht studieren, Sachen packen,
Bier trinken und schlafen. Am Dienstagmorgen standen wir an der Talstation der Aiguille du Midi und
wollten mit Stefan Tauscher und Stefan Heiligensetzer die „Èperon des Cosmiques“ 5c bei selbstständiger
Absicherung auf der Südseite des Cosmiquegrats klettern.
Um kurz nach 7 Uhr dann die Durchsage an der Talstation: „Die Bahn fährt erst später, da Eis und Schnee
momentan keine Fahrt zulassen. Nächste Information um 9 Uhr“ Für uns zu spät, da am Nachmittag in der Höhe
Schneeschauer angekündigt sind. So machen wir uns auf um beim nächsten Bäcker zu frühstücken. Toll!
Wieder nix mit Akklimatisieren! Um 7:30 Uhr hören wir dann durch die Lautsprecher, dass die Bahn nun doch fährt.
Also sprinten wir schnell rüber zur Station und fahren zur Gipfelstation hoch. Auf dem Weg über das
Valle Blanche zum Einstieg müssen wir feststellen, dass tatsächlich 10 cm Neuschnee gefallen sind.
Am Wandfuß studieren wir die Linie durch den gold glänzenden Granit und versuchen den einfachsten
Weg durch das Dach in Wandmitte zu finden. Mann schaut das gut aus;) Wir schicken die beiden Stefans voraus,
da sie die Route bereits kennen. So ein Mist! Der Fels ist noch vereist und auf den Bändern liegt noch Schnee.
Wir entscheiden uns die erste Seillänge mit Steigeisen zu klettern. Nach einer schweren ersten Seillänge komme
ich am Stand an und sehe, dass der Weiterweg nicht schneefrei ist. Wir beschließen abzubrechen und
über den Cosmique Grat zurück zu gehen. Über einen bereits gut eingespurten Hang gewinnen wir langsam an
Höhe und erreichen dann schließlich den Grat. Der Atem geht schwerer und Kopfweh macht sich langsam breit.
Ein Blick auf den Höhenmesser: 3850 m. Alles ganz normal, wenn man den ersten Tag auf der Höhe ist.
Nach einigen Aufschwüngen und Abseilstellen kommen wir schließlich an die Schlüsselstelle.
Hier ist auch schon ein ganzer Stau von Leuten entstanden, die den kurzen Felsaufschwung nur zäh hochkommen.
Also stellen wir uns brav an. Während wir so dastehen, noch unseren Tee trinken und eine Kleinigkeit essen
fallen die ersten Schneeflocken vom Himmel. Plötzlich ein Donner.
Und dann bricht Chaos aus.
Die Masse drängt hoch zum Ausstieg. Ein Bergsteiger rutscht mit seinen Steigeisen ab und zerreist die Jacke vom Stefan.
Nix mehr los mit „brav hinten anstellen“. Wir mischen uns rein in das Gedränge und sichern uns die letzten drei
Seillängen zur rettenden Gipfelstation der Midi hoch. Im dichten Nebel gings dann zum Glück wieder talwärts.
Gerade noch einmal gut gegangen ;-)
Wir halten an unserem Ritual fest: Essen, Wetterbericht, Sachen packen, Bier trinken, schlafen.
Am Mittwoch stand bei uns „Ruhetag“ auf dem Programm. Nebel und der eine oder andere Regentropfen
am Morgen ließen einfach kein größeres Unternehmen zu. So gingen wir von der Haustüre los um auf
die Nadel L`Aiguilette d´Argentiere zu klettern. Nach 1½ Stunden Zustieg erreichten wir die kühne
Felsnadel. Inzwischen hatte der Sprühregen nachgelassen und das Gestein war erstaunlich trocken.
Da die Nadel rundum bekletterbar ist, machten wir einige Routen dort. Sogar eine 6a+ vom Martin.
Beim Abstieg waren uns noch einige Ausblicke auf die Aiguille Verte vergönnt. Dem schwierigsten 4000er.
Und als wir schließlich im Tal ankamen, hat sich die Wolkendecke komplett verzogen. Ein gutes Zeichen?
Wir konnten es kaum glauben, aber für die nächsten 3 Tage war stabiles, gutes Wetter angekündigt.
Also alle Führer studieren, Internetrecherche und Sachen packen bis spät in die Nacht.
Ab auf die Argentiere Hütte war unser Plan. Felsklettern in bestem Granit, Colouirs, Steileisklettern alles
ist dort geboten. Einsamkeit, keine Bahn, Ruhe beim Bergsteigen - das ist die eine Seite der Medaille.
Die Rückseite: 6 Stunden Hüttenzustieg mit schwerem Gepäck im Rucksack und die Hütte noch geschlossen.
„Egal, wenn es sich lohnt“ dachten wir uns. Am Donnerstag Vormittag holten wir uns noch
Information vom Bergführerbüro in Chamonix und kauften noch Verpflegung für die drei Tage ein.
Um 12 Uhr machten wir uns auf den Weg über den Argentiere Gletscher auf die Hütte.
Dort mussten wir erst mal Schneeschmelzen, um unsere Thermoskannen für morgen aufzufüllen.
Auf dem Programm stand die Aiguille d`Argentiere (3901 m) über das Y-Colouir.
Wenn alles klappt eine 12 Stunden Tour. Um 2 Uhr nachts ging der Wecker. Schnell noch
Wasser warm machen, ein paar Bissen vom Baguette und schließlich Start um kurz vor 3 Uhr.
Zunächst zeigten uns die Steinmänner den Weg über die Moräne am Rande des Amethystes Gletschers
und gelangten so schließlich an den Fuß des Colouirs. Über den Bergschrund und ein 50 Grad steile
Rampe stiegen wir in die Rinne ein. Die Bedingungen hier überraschten uns. Kein Neuschnee,
das Eis war auch ganz brauchbar und die Sonne ging auch langsam auf. Welch ein Schauspiel
in dem Ambiente! Dort das Wallis mit Matterhorn und hier Grand Jorasses, Dent du Geant,
Droites Mont Blanc… alles auf einen Blick zusehen.
Nach guten 2 Stunden und 450 Höhenmeter im Colouir empfing mich Martin mit einem Croissant
am Ausstieg ;-)
Die Sonne und der Ausblick trieb uns ein Grinsen auf das Gesicht. Und ganz allein
auf dem Gipfel um kurz vor 8 Uhr.
Wir riefen uns ein „Bergheil“ zu, schossen einige Fotos und stiegen über den Millieu Gletscher ab.
Gegen Mittag trafen wir müde aber glücklich in der Hütte ein. Nach einem Mittagsschläfchen machten
wir uns auf, um den Einstieg für die morgige Klettertour am Genepi auszukundschaften.
Am Samstag klingelte der Wecker erst um 7 Uhr. Heute war keine Eile angesagt, da die Sonne
den Fels an der „Morte de Rire“ 6b eh noch nicht wärmte. Und der Zustieg nur 30 min beträgt.
Also stiegen wir erst um 9 Uhr (im T-Shirt) ein. Martin hangelt sich geschickt die ersten
Schuppen hoch legt einige Friends und macht Stand. Die ersten Seillängen verlangen uns
gleich alles ab. Doch der glänzende Granit macht uns sicheres Steigen möglich.
So arbeiten wir uns über Risse, Schuppen, Platten und kleine Dächer nach oben.
Was muss das für ein Schauspiel sein für zwei andere Bergsteiger, die uns von der Moräne aus beobachten?
Die letzte Seillänge, eine 6a+ kommt noch. Wir motivieren uns noch einmal gegenseitig.
Dann geht`s los: Meter um Meter steigt Martin höher, dann die Schlüsselstelle, einmal
konzentriert stehen, weiter greifen und dann ein Jubelschrei. Die Tour geknackt!
Und das in der Umgebung von Le Courtes, Aiguille Verte, Droites und tief unter uns der
Argentiere Gletscher. Einfach beeindruckend. Wir genießen noch kurz den Anblick und die
Sonne, ehe wir uns zum Abseilen bereit machen. Langsam schweben wir dem sicheren Boden
wieder entgegen.
Wir packen schnell unser Zeug auf der Hütte und machen uns auf den Rückweg.
Wie im Rausch und voller schöner Erinnerungen laufen wir Argentiere entgegen.
Alles gut gegangen!
Achja, die Ski haben wir nicht mehr gebraucht.
Nach einer berauschenden Abschlussfeier traten wir am 22. Juni wieder die Heimfahrt an.
Adieu Chamonix. Bis nächstes Jahr.
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